Kolpingfamilie Berchtesgaden feiert das 100-jährige Bestehen
Berchtesgaden – An jenem 11. September 1960, einem Sonntag, war bei uns so einiges geboten: Bergmesse der Bischofswieser Pfarrei auf dem Karkopf, Bergmesse mit Pfarrer Otto Schüller auf der Kneifelspitze, aber das herausragendste Ereignis: Bergmesse der Kolpingfamilie mit gleichzeitiger Gipfelkreuzeinweihung auf dem Hirschwieskopf in 2113 Meter Höhe. Weit über 100 Mitglieder und Bergfreunde wollten sich dieses keineswegs alltägliche Ereignis entgehen lassen.
Eigentlich heißt der lohnende Aussichtsberg nahe der Watzmann-Südspitze „Hirschwiese“, doch vom Königssee aus gesehen, überragt er den Hachelgraben als deutlich erkennbare Spitze. Einziges Manko, den Gipfel zierte bis 1960 noch kein Gipfelkreuz. Für die Kolpingfamilie Berchtesgaden somit genügend Anlass, zu ihrem 100-jährigen Gründungsjubiläum diesem Mangel abzuhelfen.
An einem der letzten August-Wochenenden zuvor war ein gutes Dutzend handwerklich erprobter und bergerfahrener Mitglieder ausgerückt, um mit dem nötigen Material wie Sand und Zement, Stahlseile, Eisenteile wie Anker und Schrauben sowie den beiden schweren Kreuzbalken, ja sogar Kanistern mit Wasser zum Anrühren des Betons die Vorarbeiten zu erbringen. Der Hüttenwirt der Wimbachgrießhütte war dankenswerterweise mit seinem „Kübelwagen“ (aus ehemaligem Wehrmachtsbestand) beim Antransport durch das langgezogene Wimbachtal behilflich. Von dort aber mussten die Lasten auf viele Schultern bzw. Rucksäcke verteilt werden; das galt besonders für die beiden schweren Kreuzbalken. Dass zwischendurch immer mal wieder eine Rast eingelegt und abgewechselt werden musste, kann man sich vorstellen. Doch immerhin erfreulich: das Wetter spielte mit und sämtliche Arbeiten konnten zur Zufriedenheit erledigt werden, ehe am besagten Sonntag im September die eigentliche Einweihung stattfinden konnte. Dazu war nicht nur die gesamte, bergbegeisterte Mitgliederschar samt ihrem geistlichen Leiter, Präses Pater Dr. Franz Mandl (gleichzeitig Religionslehrer an der Berufsschule und Seelsorger des Kirchleins „Maria am Berg“ in Untersalzberg) schon früh am Morgen aufgebrochen. Schließlich beträgt die gesamte Geh- und Aufstiegszeit ab Wimbachbrücke ca. 4 ½ bis 5 Stunden. Manche zogen es deshalb vor, in der Wimbachgrießhütte zu übernachten, um am nächsten Tag nur noch ca. 2 ½ Stunden Aufstieg über den Trischübelpass vor sich zu haben.
Nicht nur die Bergmesse, auch die anschließende Kreuzeinweihung war für alle Teilnehmer eine ergreifende Feier. Das relativ flache Gipfelplateau bot genug Platz für alle. Das neue Gipfelkreuz mit der Aufschrift „DEM HERRN DER WELT“ am Querbalken – an diesem Tag mit dem Kolpingbanner geschmückt vor den gewaltigen Abstürzen der Watzmann-Südspitze und dem tiefblauen Himmel – wen hat dieser Anblick nicht beeindruckt? Dazu der Tiefblick auf den Königssee und die weite Sicht hinüber ins Hagengebirge und ins Steinerne Meer.
Nach den Feierlichkeiten saß man in froher Runde bei einer verdienten Gipfelbrotzeit zusammen; es wurde gesungen und gelacht – wen wundert`s an diesem herrlichen Spätsommer-Sonntag. Zur Überraschung und Freude aller hatten zwei junge Damen ihre Blockflöten mitgebracht und spielten so manches alpenländische Stückl auf ihren Instrumenten – ein echtes Gipfelkonzert! Frohgestimmt begab man sich so nach und nach wieder auf den gemeinsamen Abstieg.
Die Hirschwiese zählt zu den seltener besuchten Gipfeln der Berchtesgadener Alpen; dementsprechend trifft man dort noch auf eine vielfältige Flora und Fauna. Das Pfeifen der aufmerksamen Murmeltiere und so manche neugierige Gämse kann man beim Auf- und Abstieg erleben. Wer diesen Berg einmal einen Besuch abstatten möchte, sollte auf beständiges Schönwetter achten. Von Nöten ist für diese Unternehmung eine gute Kondition und Ausdauer (vor allem, wenn man die Tour an einem Tag ausführen möchte) und gute Trittsicherheit auf der oberen Etappe zum Gipfel. Eine grandiose Aussicht belohnen den oft als anstrengend empfundenen Anmarsch und Aufstieg. Das Gipfelkreuz dort oben schaut nun zurück auf 60 Jahre; die es errichtet haben, verdienen ein stilles Gedenken! Manfred Angerer
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